Integration, Dialog und Entwicklung

44. Treffen der Generalsekretäre der Europäischen Bischofskonferenzen

Berlin, 30.06.-03.07.2016

Die Generalsekretäre der europäischen Bischofskonferenzen treffen sich einmal jährlich zu ihren Beratungen.

 Auf Einladung des Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz (DBK), P. Hans Langendörfer SJ fand die 44. Begegnung der Generalsekretäre der europäischen Bischofskonferenzen dieses Jahr vom 30. Juni bis zum 3. Juli in Berlin statt.

 

Im Jahr der Barmherzigkeit und unter Beachtung der drei Schlüsselwörter (Integration, Dialog, Entwicklung), mit denen Papst Franziskus anlässlich der Verleihung des Karlspreises die Berufung Europas kennzeichnete, diskutierten die Generalsekretäre über Solidarität mit den Migranten (integrieren), mit den Familien (Dialog führen) und der Bischofskonferenzen Europas untereinander (etwas hervorbringen). Die Gespräche fanden in einer Atmosphäre der Brüderlichkeit statt und berührten auch das Thema Brexit und die Fragen, die heute die Diskussionen über die Zukunft der Europäischen Union bewegen.  

 

Eröffnet wurden die Arbeiten durch den Generalsekretär des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), Mons. Duarte da Cunha, der in seiner Begrüßungsansprache darauf hinwies, dass der CCEE nicht nur eine kirchliche Einrichtung ist, sondern in erster Linie eine Gelegenheit, eine Arena, darstellt, in der die Spitzen der Kirche in Europa ihre von Papst Franziskus oft beschworene gemeinschaftliche Erkenntnisfähigkeit üben können, um so die wahren Prioritäten der Gesellschaft und  damit auch der Kirche in Europa zu bestimmen. Zu den grundsätzlichen Herausforderungen innerhalb der Arbeit des CCEE gehört die Förderung der sozialen und kirchlichen Einigkeit in einer pluralistischen Welt: Es geht darum, der den europäischen Kontinent kennzeichnenden Diversität Geltung zu verschaffen und gleichzeitig eine „kirchliche Symphonie“ zu fördern, die Mitverantwortung der einen für die anderen schafft.     

 

In der Folge stellte P. Hans Langendörfer SJ, der sein 20-jähriges Jubiläum als Generalsekretär der DBK feiert, die Kirche in Deutschland vor. Mit ca. 81,1 Millionen Einwohnern, darunter 6 Millionen Ausländern, ist Deutschland ein Land, in dem über die Hälfte der Einwohner christlichen Glaubens sind. Gemeinsam bilden die Evangelische (EKD) und die katholische Kirche die Institutionen mit den meisten Angestellten in Deutschland. 

Bei seiner Begegnung mit den Generalsekretären betonte der Präsident der DBK und der COMECE, Kardinal Reinhard Marx, der auch die Eucharistiefeier leitete, die enge Beziehung, die seit jeher das Christentum mit der europäischen Kirche verbindet: „Wir brauchen eine Erneuerung der Evangelisierung. Dazu ist es notwendig, das Evangelium und unseren Einsatz für Europa miteinander zu verbinden. Das Evangelium ist eine, ja die zentrale Botschaft für den europäischen Kontinent. Wir können Europa nicht verstehen ohne unseren Glauben, das Evangelium. Und: Wir können die Kirche nicht verstehen ohne die Geschichte der Freiheit, die wir auf diesem Kontinent erlebt haben. Der Weg der Kirche ist nicht eine ‚reconquista‘ oder eine Burg, die verteidigt werden muss. Der Weg der Kirche ist der Auftrag, Menschen zum verantwortlichen Umgang mit der geschenkten Freiheit zu ermutigen und anzuleiten. Dazu ist es notwendig, dass wir die Qualität unserer Arbeit immer im Blick haben. Denn von dieser Qualität aus erreichen wir die Menschen“. 

 

Integrieren. Der Freitagvormittag (1. Juli) war dem Thema der Solidarität gegenüber Migranten und Flüchtlingen vorbehalten, wie sie sich in den vielen Beispielen der Aufnahme und Integration ausdrückt, die die Kirche ins Werk gesetzt hat, aber auch in den Auswirkungen auf die Beziehungen mit den jeweiligen Staaten. An der Arbeitssitzung nahm auch der deutsche Innenminister Dr. Thomas de Maizière mit einem Beitrag zur Illustration der deutschen Einwanderungspolitik teil. Angesichts der Schwierigkeiten, eine gemeinsame, europaweite Einwanderungspolitik zu betreiben, und besonders im Hinblick auf die sich ausbreitende, unbegründete Angst vor den Geflüchteten, die teils zu Ausbrüchen echten Fremdenhasses führt, betonte der deutsche Innenminister, dass manche Schwierigkeiten auch von der Sprache herrühren, mit der das Phänomen beschrieben wird und die „nicht mehr die Herzen und den Geist der Menschen“ berührt, sowohl der Bürger Europas als auch der Migranten auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Viel zu oft, darin sind sich die Generalsekretäre einig, wird das Phänomen der Migranten als „Krise“ anstatt als Chance für unsere Länder bezeichnet; in vielen Fällen wird stark übertrieben und die großen Worte entsprechen weder den Fakten, noch den Zahlen, noch der Realität.

 

Ebenso wie in Deutschland wird auch in anderen Ländern der „außergewöhnliche“ und großzügige Beitrag anerkannt, mit dem die Kirche auf die Notsituation der Immigranten antwortet. Eine Betrachtung der Einwanderungspolitik in den verschiedenen europäischen Ländern scheint jedoch zu zeigen, dass sie sich hauptsächlich an wirtschaftlichen Aspekten ausrichtet – wir können jedoch diese Herausforderung nicht meistern, indem wir uns auf eine simple Politik der Umverteilung beschränken; vielmehr müssen wir den Mut haben, zu den Ursprüngen des Problems vorzudringen und die Frage der Integration mit verantwortlichem Handeln zu begleiten. Die Geschichte Europas ist eine Geschichte der Völkerwanderungen.   

 

Die Arbeitssitzung über die migrationsbedingten Herausforderungen schloss mit Beiträgen des Patriarchen von Antiochia, Ignazio Giuseppe III Younan, und des Delegierten des SCEAM-SECAM (Symposium der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar), Mons. Jean-Vincent Ondon, Bischof von Oyem (Gabun), die das Zeugnis des Leidens und der Not derer überbrachten, die in der Hoffnung auf Zuflucht nach Europa kommen. Der Patriarch von Antiochia betonte sein Unverständnis gegenüber der Untätigkeit der westlichen Politiker hinsichtlich der Ausbreitung von Regimes, die sich auf einen politisierten Islam gründen, welcher die Scharia anwendet und nicht im Einklang mit dem religiösen Pluralismus im nahen Osten steht.  

Bischof Ondon seinerseits sprach über das traurige Schicksal derjenigen, die „die Hölle“ durchquert haben, um nach Europa zu gelangen und dort oft in „trostlosen Flüchtlingscamps zusammengedrängt“ werden, um dann einem ungewissen Schicksal oder Schlimmerem in den Händen ihrer Ausbeuter überlassen zu werden.

Im Lichte dieser Beiträge betonten die Generalsekretäre die Dringlichkeit, im Nahen Osten, in der Ukraine und in den Konfliktgebieten Afrikas die Waffen zum Schweigen zu bringen und einen Dialog einzurichten. Frieden ist möglich!

 

 

Dialog. Die Sitzung am Nachmittag behandelte die Solidarität mit den Familien im Lichte des Apostolischen Schreibens Amoris laetizia. Eingeführt wurde das Thema durch den Erzbischof von Berlin und Vorsitzenden der bischöflichen Kommission für Ehe und Familie der DBK, Mons. Heiner Koch, der voller Begeisterung von seiner persönlichen Erfahrung als Teilnehmer an der letzten Bischofssynode über die Familie (Oktober 2015) sprach. In der kleinen, aber sehr aktiven und geschätzten katholischen Gemeinde Berlins (hier kommen 400.000 Gläubige auf 4 Mio. Einwohner) liegt die größte Herausforderung darin, einer Bevölkerung, die sich kaum von der Religion angesprochen fühlt, die Sakramentalität der Ehe nahezubringen. Sodann stellte der Sekretär des CCEE einen kurzen Bericht darüber vor, wie die verschiedenen Bischofskonferenzen die in Papst Franziskus' Apostolischem Schreiben enthaltenen Vorgaben umsetzen. Es zeigte sich, dass die Bischofskonferenzen besondere Sorgfalt auf die Ehevorbereitung legen und darauf, die Familie als Ursprung und Ziel jeglicher seelsorgerischen Handlung der Kirche hervorzuheben. Zu diesem Zweck erweist es sich zunehmend als notwendig, einen Dialog zwischen der Familien- und der Jugendseelsorge zu schaffen, Hand in Hand mit einer dauerhaften Begleitung der bereits verheirateten Paare und ihrer Familien und einer Förderung der Solidarität innerhalb der Familien selbst.       

 

Etwas hervorbringen. In der Folge sprach der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterović, ehemaliger Generalsekretär der Bischofssynode (2004-2013) über die Praxis der Synodalität, den „gemeinsamen Weg der Kirche“. Die Synodalität ist gleichzeitig kirchliche Haltung und Praxis, die mit der Einrichtung der Bischofssynode konkreten Ausdruck annimmt. Sie ist eine Dimension des kirchlichen Lebens, die die Wahrung der Einheit der Kirche auch in der Diversität des Ausdrucks und der seelsorgerischen Antworten ermöglicht. Nach einer Skizzierung der Entwicklung des Begriffs „Synodalität“ als ein zuinnerst mit der Gemeinschaft und Kollegialität innerhalb der Kirche verbundenes Konzept und einem geschichtlichen Verweis auf die Synode, die im Gefolge des Zweiten vatikanischen Konzils ins Leben gerufen wurde und „die Bischöfe die Kunst des Zuhörens lehrt“, brachte der Nuntius auch mögliche Formen der Weiterentwicklung dieser Einrichtung zur Sprache.

 

Als Zeugnis dieses „gemeinsamen Weges“ wurde die Diskussion am Samstag (2. Juli) fortgesetzt; gehört wurden die Berichte des CCEE und der COMECE, den beiden der die Gemeinschaft des europäischen Episkopats übergeordneten Kirchenorganen, sowie die Beiträge von vier Generalsekretären zum Thema der Solidarität zwischen den einzelnen Bischofskonferenzen. Sie machten deutlich, dass Freuden, Leiden und  Hoffnungen einer Bischofskonferenz auch für alle anderen von Interesse sind und auch in deren Verantwortung liegen.

 

Die Arbeiten schlossen am Sonntag, dem 3. Juli mit der Feier der Eucharistie unter Leitung von Erzbischof Koch im Berliner Dom.